Signing-Closing-Dilemma bei Share-Deals: Zukünftige Entschärfung bei der Grunderwerbsteuer?
Das sog. Signing-Closing-Dilemma führt in der Praxis bei grundbesitzumfassenden Unternehmensverkäufen als Share-Deal zu ungewollten Grunderwerbsteuerrisiken, wenn die knappen gesetzlichen Meldefristen nicht eingehalten werden. Der Bundesfinanzhof könnten nun zu einer Entschärfung dieser Doppelbesteuerungsgefahr beitragen.
Ausgangspunkt
Beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen (Share Deals) kommt es üblicherweise zu einem Auseinanderfallen von schuldrechtlichem Erwerbsgeschäft (Signing) und dem tatsächlichen Vollzug und Eigentumsübergang (Closing) der Anteile. Dies liegt meistens an aufschiebenden Bedingungen für den Eigentumsübergang wie z.B. die vollständige Kaufpreiszahlung, die das Closing in die Zukunft verschieben.
Signing und Closing als gesonderte steuerrelevante Vorgänge in der Grunderwerbsteuer
Dies kann vor allem in Bezug auf die Grunderwerbsteuer bei Share Deals mit enthaltenen Grundstücken zu ungewollten und unvorhergesehenen Komplikationen führen, sofern nicht alle gesetzlichen Vorgaben zu Meldepflichten bei der Finanzverwaltung ordnungsgemäß und fristgerecht erfüllt werden.
Der Verkauf von mehr als 90 % der Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, in deren Eigentum Grundstücke bzw. Immobilien stehen, stellt grundsätzlich gem. § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG einen steuerbaren Erwerbsvorgang im Sinne der Grunderwerbsteuer dar. Grundsätzlich schon dem Wortlaut nach subsidiär, aber trotzdem einen unabhängigen Besteuerungstatbestand, stellt das Signing gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG dar, der schon das Verpflichtungsgeschäft zur Anteilsübertragung der Besteuerung unterwirft.
Gelöst wird diese systematisch grundsätzlich nicht vorhergesehene Doppelbesteuerung desselben Vorgangs in § 16 ff. GrEStG, die die Festsetzung der Steuer auf das Signing-Geschäft aufhebt gem. § 16 Abs. 4a GrEStG. Zum Problem kann dies werden, wenn das Signing nicht fristgemäß und vollständig durch die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung beim Finanzamt angezeigt wird, da § 16 Abs. 5 GrEStG für diesen Fall die nachträgliche Aufhebung der Steuerfestsetzung negiert. Da der Notar hier nicht in allen Fällen zur Anzeige beim Finanzamt verpflichtet ist, liegt es oftmals an den Beteiligten des Erwerbsvorgangs die Anzeige beim Finanzamt zu erstatten, was im Geschäftsgang bei einer Frist von nur 2 Wochen in der Praxis oftmals zu einer Versäumnis der Frist führen wird. Demnach kommt es in diesen Fällen nach bisheriger Praxis zu einer doppelten Belastung mit Grunderwerbsteuer.
Neuer Beschluss des Bundesfinanzhofes – ein Hoffnungsschimmer für die Praxis?
Diese Sichtweise haben die obersten Finanzbehörden 2024 noch einmal bekräftigt und in gleich lautenden Erlassen veröffentlicht (BStBl I 2024, S.383 ff, Rz. 30 – 33). Sie erkennen zwar den grundsätzlichen Vorrang der Erwerbsbesteuerung des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG an, es soll aber nur bei einer Gleichzeitigkeit zwischen Signing und Closing nicht zu einer Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG kommen, beim Auseinanderfallen der beiden Zeitpunkte ist nachträgliche Nichtbesteuerung beim Signing von den strengen Form- und Fristvorschriften abhängig, die oben beschrieben wurden.
Noch nicht grundsätzlich gekippt, aber zumindest rechtlich angezweifelt wurde diese Sichtweise nun in einem Beschluss des BFH, der in einem solchen Fall, in dem eine der Anzeigen nicht fristgerecht eingegangen war, wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung nun sog. Aussetzung der Vollziehung (sog. „AdV“) gewährt hat (BFH, Beschluss vom 09.07.2025 – II B 13/25). In diesem Fall kann muss die angezweifelte und im Rechtsbehelf angefochtene Steuerschuld noch nicht durch den Steuerpflichtigen gezahlt werden.
Insbesondere wurde vom BFH die von der Finanzverwaltung vertretene materielle Rangfolge zwischen den Ergänzungstatbeständen in Bezug auf einen bestimmten Stichtag so nicht geteilt. Eine zeitliche Beschränkung der Anwendung des Einleitungssatzes des § 1 Abs. 3 GrEStG sieht der BFH so nicht, auch nicht nach der Einfügung der §§ 16 Abs. 4a und Abs. 5 GrEStG im Zuge des JStG 2022.
Fazit und Empfehlung in der Praxis
Auch wenn in der Sache in dem Verfahren noch nicht entschieden ist, so kann die Entscheidung durchaus als Abwehrargument für Steuerpflichtige genutzt werden, die in einem ähnlich gelagerten Fall Ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht für einen der Vorgänge nicht nachgekommen sind. Die Fälle, in denen aus diesem Grund doppelt Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde, sollten daher offen gehalten werden. Insbesondere steuerrechtliche M&A-Berater müssen dieser Frist immobilienrelevanten Deals hohe Beachtung zuwenden, um Haftungsfolgen zu vermeiden.
Trotzdem empfiehlt es sich weiterhin, den im GrEStG normierten Meldevorschriften und -fristen nachzukommen und die nötigen Informationen bereits im vorab zum Unternehmensverkauf zusammenzutragen, gerade um der relativ knapp bemessenen zweiwöchigen Frist nachkommen zu können. Die Ansicht der Finanzverwaltung wird sich wohl bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung in der Sache nicht ändern, sodass in den jetzt auftretenden Fällen beim Auseinanderfallen von Signing und Closing weiterhin doppelt Grunderwerbsteuerbescheide ergehen werden, deren Abwehr zeitintensiv und kostspielig sein dürfte.
Autoren:
Maximilian Saller
B.Sc.
Tax Associate
und
Jakob Eisenreich
Dipl.-Wirtschaftsjurist (univ.)
Wirtschaftsprüfer
Steuerberater
Partner
Zert. Berater für Unternehmenskauf / M&A (IFU)
Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV)