Weiterbeschäftigung des Verkäufers nach dem Unternehmensverkauf: Kaufpreis oder Arbeitslohn?
In der Praxis führt die Besteuerung von Vergütungen an Unternehmensverkäufer häufig zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung. Kernpunkt dieser Diskussionen ist die Qualifikation als Arbeitslohn oder Kaufpreisbestandteil.
Kaufpreis oder Arbeitslohn?
Im Rahmen von Unternehmenstransaktionen wird die fortdauernde Tätigkeit des Veräußerers regelmäßig vertraglich fixiert, um einen geordneten Übergang der Geschäftsführung sicherzustellen und die wirtschaftliche Kontinuität des Unternehmens zu gewährleisten. Besonders bei Übernahmen von inhabergeführten oder innovationsgetriebenen Unternehmen stellt der personengebundene Know-how-Transfer einen wesentlichen Bestandteil der Transaktionsstruktur dar und ist Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg der Übernahme.
Gestaltungspraxis: Kaufpreis mit Bedingungen
In der Praxis erfolgt die Absicherung der weiteren Tätigkeit des Veräußerers häufig durch eine anreizorientierte Kaufpreisstruktur. Dazu wird ein Teilbetrag des Kaufpreises unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt, wonach die Auszahlung vom tatsächlichen Verbleib des Verkäufers im Unternehmen abhängt.
Typische vertragliche Gestaltungen sind:
- Bedingte Auszahlung eines einbehaltenen Teilbetrags nach Ablauf eines definierten Zeitraums (z. B. drei bis fünf Jahre), in dem der Verkäufer aktiv tätig im Unternehmen mitwirkt;
- Rückforderungs- bzw. Verfallregelungen für den Fall, dass der Verkäufer seiner zugesagten Tätigkeit nicht nachkommt (z. B. Kündigung, unzureichende Mitwirkung).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die steuerliche Frage, ob diese Zahlungen als Teilbeträge des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG oder als lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 EStG zu qualifizieren sind. Die Einordnung hat erhebliche Auswirkungen auf die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung.
Abgrenzungskriterien: Veräußerungserlös oder Arbeitslohn?
Die steuerliche Unterscheidung zwischen Veräußerungserlös und Arbeitslohn folgt dem sogenannten Veranlassungsprinzip. Arbeitslohn liegt vor, wenn eine Leistung final durch das Dienstverhältnis veranlasst ist – also als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft gewährt wird. Ein bloß kausaler oder zeitlicher Zusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit reicht hierfür nicht aus. Maßgeblich ist, ob die Zahlung nach objektiver Würdigung der Gesamtumstände eine Vergütung für eine zukünftige Dienstleistung darstellt. Dient die Zahlung dem Zweck, die Arbeitskraft des Veräußerers für eine Übergangszeit zu sichern, spricht dies für die Einordnung als Arbeitslohn.
Demgegenüber sind Zahlungen dem Veräußerungsgewinn zuzuordnen, wenn sie unabhängig von der zukünftigen Tätigkeit allein durch den Verkaufstatbestand veranlasst sind. Es kommt auf die wirtschaftliche Zielrichtung der Zahlung an, wobei alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu prüfen sind.
Praxisrelevanter Hinweis:
Die bloße vertragliche Bezeichnung als „Kaufpreisbestandteil“ bietet keine rechtliche Sicherheit. Finanzbehörden und Gerichte stellen bei der steuerlichen Einordnung ausschließlich auf die objektiven Gegebenheiten des Einzelfalls ab.
Aktuelle Rechtsprechung des Finanzgerichts Köln
Das Finanzgericht Köln hat mit Urteil vom 04.12.2024 (Az. 12 K 1271/23) entschieden, dass ein Teil einer Kaufpreiszahlung als Arbeitslohn zu qualifizieren ist, wenn dieser rechtlich und tatsächlich an die Fortführung der Tätigkeit im Unternehmen geknüpft ist. Im zugrundeliegenden Fall war vereinbart, dass der Verkäufer seine Tätigkeit als Geschäftsführer mindestens fünf Jahre über den Übertragungszeitpunkt hinaus fortführen muss. Andernfalls sollte ein bereits erhaltener Kaufpreisanteil zurückgezahlt werden.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Verfahren ist derzeit beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen V R 16/23 anhängig. Die Entscheidung des BFH dürfte weitreichende Bedeutung für die steuerliche Gestaltung künftiger Unternehmenskaufverträge haben.
Fazit
Die steuerliche Abgrenzung zwischen Kaufpreiszahlung und Arbeitslohn bei fortdauernder Tätigkeit des Verkäufers bleibt ein haftungsträchtiges Thema mit hoher praktischer Relevanz. Das anhängige BFH-Verfahren wird voraussichtlich neue Maßstäbe für die steuerliche Einordnung derartiger Fallgestaltungen setzen.
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung empfiehlt es sich, bestehende Gestaltungen einer sorgfältigen steuerlichen Prüfung zu unterziehen und neue Verträge entsprechend risikoorientiert zu strukturieren. Nur so lassen sich potenzielle Steuer- und Sozialversicherungspflichten vermeiden bzw. eindämmen.
Autor:
Marina Badelt
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Steuerrecht
Partner
und
Luca Ryan
Rechtsanwalt