Keine steuerliche Sonderabschreibung mit unechten Mietwohnneu BFH, Urt. v. 12.8.2025 – IX R 24/24bau

Sven Flügler • 26. November 2025

Die Knappheit von Wohnraum ist insbesondere in Ballungsräumen wie München, Berlin oder Hamburg ein Dauerbrenner. Zur Schaffung neuen Wohnraumes versucht der Gesetzgeber auch steuerliche Anreize zu setzen, wie z.B. die Sonderaschreibung für Mietwohnneubau nach § 7b EStG. Diese war kürzlich Streitthema vor dem BFH.


Urteil des Bundesfinanzhofes


Im verhandelten Fall besaß die Klägerin ein vermietetes und sanierungsbedürftiges Einfamilienhaus. Dieses ließ sie aus wirtschaftlichen Gründen im Juni 202 abreißen. Im Anschluss daran ließ die Grundbesitzerin auf dem Grundstück ein neues Einfamilienhaus bis Ende 2020 errichten, welches zu Wohnzwecken fortan vermietet wurde.


Als steuerlich abzugsfähige Werbungskosten machte die Klägerin im Jahr 2020 neben der regulären linearen Abschreibung von damals 2 % der Gebäudesubstanz pro Jahr (§ 7 Absatz 4 EStG) auch die Sonderausschreibung für Mietwohnneubauten von jährlich 5 % der Gebäudesubstanz – beschränkt auf die ersten vier Jahre ab Erwerb - geltend (§ 7b EStG). Der Ansatz der Sonderabschreibung wurde jedoch durch das zuständige Finanzamt im Rahmen der ersten Veranlagung abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass infolge des Abriss und Neubaus kein neuer Wohnraum durch die Klägerin geschaffen wurde, sondern vielmehr bereits bestehender Wohnraum ersetzt worden sei. Einspruch und erstinstanzliche Klage vor dem Finanzgericht Köln blieben erfolglos.


Der Bundesfinanzhof folgte in seiner aktuellen Entscheidung der Auffassung des Finanzamts sowie der Kölner Finanzrichter und wies die Revision der Grundbesitzerin zurück. Der Anspruch auf Sonderabschreibung nach § 7b EStG bestehe nicht, da kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen, sondern lediglich bereits bestehender Wohnraum durch neugebaute Wohnungen ersetzt wurde.


Die Regulatorik der Sonderabschreibungen begünstigt nur Baumaßnahmen, durch die „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnungen entstehen. Maßgeblich ist eine tatsächliche Vermehrung des Wohnungsbestands, da das Ziel der Norm die Förderung eines zusätzlichen Wohnungsneubaus im Rahmen der sog. „Wohnraumoffensive“ zum Gegenstand hat. Reine Ersatz- und/oder Modernisierungsmaßnahmen sind nicht erfasst und entsprechen somit nicht dem Willen des Gesetzgebers.


Ein Neubau nach einem Abriss ist nur begünstigt, wenn Abriss und Neubau nicht Teil eines einheitlichen Plans sind und kein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und zusätzlicher Wohnungsneubau entsteht. Dies ist bei einer Verfestigung des Wegfalls der Wohnung denkbar. In diesem Fall lag jedoch ein klarer Gesamtplan vor, da der Bauantrag des neuen Einfamilienhauses bereits vor dem Abriss gestellt wurde. Der Zusammenhang zu bereits bestehendem Wohnungsbestand war deshalb offensichtlich nachgewiesen.


Infolge dieser Entscheidung ist Immobilieninvestoren dringend anzuraten, sich bei Erwerben von Vermietungsimmobilien mit angepriesener Sonderabschreibung die abstrakte Anwendbarkeit der steuerlichen Sonderabschreibungen für Mietwohnneubau vertraglich in der Notarurkunde vom Verkäufer bzw. Bauträger zusichern zu lassen. 



Insbesondere folgende Punkte sollten von Immobilieninvestoren im Notarvertrag rechtlich festgehalten werden:


  • Bauanzeige oder Bauantrag innerhalb der Förderzeiträume nach § 7b EStG
  • Charakter der Bauanzeige oder des Bauantrags als Neuantrag und nicht als Änderung eines früheren Bauantrags außerhalb der zulässigen Förderzeiträume
  • Fertigstellung und Übergang von Besitz/Nutzen/Lasten innerhalb eines Kalenderjahres
  • Vertragsgegenständliche Mietwohnung als Mietwohnneubau im Sinne von § 7b EStG
  • Anschaffungs- und Herstellungskosten unterhalb der jeweiligen, anzuwendenden Baukostenhöchstgrenze nach der zulässigen Flächenermittlungsmethode im Sinne des § 7b EStG
  • Zertifizierung des Energiestandards „Effizienzhaus 40 mit Nachhaltigkeitsklasse (EH40NH) mit Gütesiegel „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ („QNG“) durch eine QNG-akkreditierte Zertifizierungsstelle
  • Aushändigung aller gesetzlich geforderter Nachweise innerhalb von 12 Monaten nach Übergabe (QNG-Zertifikat, Flächenberechnung, Ermittlung Baukostenhöchstgrenze)



Bei Verstößen gegen obige Vertragspflichten durch den Verkäufer, könnte eine Schadensersatzfplicht zugunsten des Immobilieninvestors angedacht werden, insofern die Sonderabschreibungen infolge einer Pflichtverletzung des Verkäufers bzw. Bauträgers nicht in Anspruch genommen werden.

Trotz der klaren Linie des Bundesfinanzhofes ist die Rechtsfrage nicht in allen Aspekten abschließend geklärt, Interpretationsspielräume und offene Rechtsfragen ergeben sich auch weiterhin.


Unklar bleibt unter anderem, wie Fälle zu behandeln sind, in denen ein altes Einfamilienhaus durch ein Gebäude mit zwei oder mehreren Wohneinheiten ersetzt wird. Offen ist damit auch, ob zumindest die zusätzlich geschaffene zweite Wohnung als „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnung verstanden wird und somit nach § 7b EStG begünstigt werden kann oder ein Flächenvergleich vorzunehmen ist. Besonders problematisch könnte dies insbesondere sein, wenn aus einer Wohneinheit zwei Wohneinheiten werden, diese sich flächenmäßig addiert jedoch mit der zuvor bestehenden Wohnung in Summe gleichen. Damit stellt sich die Frage, welche Kriterien für die Einordnung des „vermehrten Wohnbestands“ als Mietwohnneubau anzuwenden sind. Wird auf die Anzahl der Wohneinheiten, auf die Wohnfläche oder auf einen strukturellen Mehrwert abgestellt? Oder ist eine Kombination aller dieser Aspekte relevant?



Fazit


Der Bundesfinanzhof steigert mit seiner Entscheidung gegenwärtig den Grad der Rechtssicherheit von § 7b EStG und grenzt Ersatzbau vs. Bestandsvermehrung voneinander ab, zugleich wirft er jedoch neue Interpretationsmöglichkeiten auf, die einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber oder eine Stellungnahme der Finanzverwaltung erfordern, um steuerliche Planungssicherheit für Investitionen zu schaffen. 



Autoren:


Jakob Eisenreich

Wirtschaftsprüfer

Steuerberater

Partner


Zert. Berater für M&A (IFU)

Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV)


und


Sven Flügler

Steuerassistent